Gibt es wirklich kein schlechtes Wetter, sondern nur die viel zitierte schlechte Kleidung? Darüber gehen die Ansichten auseinander. In jedem Fall kann optimale Outdoor-Bekleidung jedoch dabei helfen, selbst die hässlichsten Wetterüberraschungen besser zu überstehen. Wie gut die Ausstattung etwa einem heftigen Regenguss standhält, darüber gibt die sogenannte Wassersäule für Kleidung Aufschluss.
Besser nichts ins Wasser fallen lassen
Sie finden Regenbekleidung überbewertet? Dann stellen Sie sich eines der beiden Szenarios vor:
- Die seit Langem geplante Wanderung muss immer wieder weichen, weil die Wetter-App spontan schlechte Prognosen bringt – bis der schöne Plan irgendwann gänzlich ins Wasser fällt. Zu schade!
- Sie schwingen sich auf die zweiwöchige Route, schließlich gibt es kein schlechtes Wetter… Der Rucksack ist gefüllt mit wichtigen Dingen – nur die Regenbekleidung fehlt. Plötzlich zieht, wie es etwa im bergigen Raum schnell passieren kann, eine unerwartete Regenfront auf. Sie spüren bereits Nässe, Kälte und Druckstellen auf der Haut, wenn sich nicht schleunigst ein Unterstand finden lässt. Dumm gelaufen!
Fazit vorab: Wer gerne länger im Freien unterwegs ist oder sogar Wanderungen in entlegenere Gebiete mag, kommt an einer guten Ausstattung mit Regenjacke und Regenhose nicht vorbei. Doch woher wird kenntlich, ob die jeweilige Regenbekleidung auch wirklich dichthält? Hier kommt die Wassersäule ins Spiel.
Wassersäule – die Norm für Wasserdurchlässigkeit
Die entscheidende Frage lautet – dem werden Sie im Angesicht der aufziehenden Regenfront zustimmen: Wie schnell lässt ein Textil Wasser durchdringen? Genau das lässt sich mit dem Begriff der Wassersäule für Kleidung normieren. Denn sie besagt, welchem Maß an Druck ein Stoff standhält, bevor das Textil Feuchtigkeit eindringen lässt. Auf diese Weise ist die Wasserdurchlässigkeit klar messbar. Die üblichen Begriffe wie wasserdicht, wasserfest oder wasserabweisend unterliegen hingegen keiner klaren Norm. Wer ganz sichergehen will, bei der nächsten Tour nicht bis auf die Haut durchnässt im Regen zu stehen, verlässt sich daher eher auf die Angabe der Wassersäule für Regenjacke, Hose und Co. Doch wie wird gemessen?
Grob umrissen verläuft die Messung wie folgt: Die Fachleute setzen die Außenseite des Materials dem Wasser aus. Dabei beginnt der Wasserdruck bei null. Die Wassersäule steigt nun stetig an – je nach zu testender Norm um 100 Millimeter oder um 600 Millimeter pro Sekunde. Dann gilt es zu messen, nach welcher Zeit sich drei Tropfen ihren Weg durch den Stoff gebahnt haben. Der zu diesem Zeitpunkt herrschende Druck wird dann in Millimeter Wassersäule als Resultat angegeben.
Grundsätzlich legte die BRD den Begriff schon im Jahr 1978 als gesetzliche Einheit fest. Der Druck von einem Meter Wassersäule entspricht dabei jenem hypostatischen Druck in einem Meter Wassertiefe, also 9,80665 kPa. Das müssen Sie jedoch nicht wissen, um unbesorgt in vertrauenswürdiger Outdoor-Bekleidung wandern zu können. Hierfür ist es jedoch umso nützlicher, den Norm-Wert zu kennen, den Sie beim Kauf benötigen.
Was heißt Wassersäule 10000?
Wenn es um die Wassersäule für Kleidung geht, kommt die etwas sperrige europäische Norm DIN EN 343:2010-05 für Schutzkleidung bei Regen ins Spiel. Hier spielen noch einige weitere Faktoren in den Test hinein, bevor das Produkt seine umfassende Leistungsfähigkeit bescheinigt bekommt. Doch für den Kauf der Regenbekleidung genügt oft schon ein Überblick über die Bedeutung der jeweiligen Wassersäule. Gestaffelt werden die Werte in der Regel nach folgendem Muster.
- 1500 mm: Ab diesem Einstiegswert dürfen Textilien in Deutschland als wasserfest gelten
- 4000 mm: In der Schweiz gilt Kleidung erst ab dieser Marke als wasserdicht
- 10000 mm: Erst ab Wassersäule 10000 ist von Wasserdichtigkeit bei guter Regenbekleidung zu sprechen.
Wirklich wasserdichte Kleidung erkennen
Ist eine Wassersäule 10000 nun alles, was Ihre Outdoor-Kleidung braucht, um Sie zuverlässig zu schützen? Das lässt sich nicht verallgemeinern, da zahlreiche Faktoren den Druck verändern können. Wer bei Regen im Sturm steht, findet nicht nur eine deutlich unfreundlichere Situation vor, sondern durch den Wind auch andere Druckverhältnisse. Dasselbe gilt, wenn etwa ein schwerer Rucksack auf der Regenjacke lastet. Deshalb kann es durchaus ratsam sein, vorab in etwa die zu erwartenden Umstände zu umreißen. Wer auf Nummer Sicher gehen will, findet natürlich umso mehr Schutz, je höher der Wert ausfällt.
Welche Wassersäule für die Regenjacke?
Bei einem hochwertigen Hardshell-Modell wartet die Regenjacke mit 10000 Wassersäule und gerne sogar noch mehr auf. Leichtere Softshell-Jacken können deutlich darunter liegen, müssen aber die Mindestnorm erfüllen, um sich wasserdicht nennen zu dürfen. Eine moderne Regenjacke liegt heutzutage bei etwa 20000, einige innovative Modelle kratzen sogar an der 30000er Marke. Aber kein Wert hält ewig: Die Schutz-Eigenschaften können sich abnutzen. Deshalb ist es immer hilfreich, die wasserfeste Kleidung regelmäßig zu imprägnieren. So bleibt das Wasser gar nicht erst lang genug auf der Oberfläche, um vom Wind hindurch gedrückt werden zu können.
Während eine Regenjacke mit 10000 Wassersäule schon im sehr guten Bereich liegt, darf der Wert für eine wirklich sichere Regenhose noch um einiges höher angesiedelt sein. Warum? Auch hier gibt wieder der Druck den Ausschlag: Wer in der Regenhose sitzt, liegt oder kniet, übt dadurch ein Vielfaches an Druck aus. Tatsächlich lässt sich sogar das in einem Wassersäulewert ausdrücken:
- 1000 mm: Druck einer liegenden Person von 1,80 m und 80 kg
- 5000 mm: Druck einer sitzenden Person von 80 kg Körpergewicht
- 000 mm: Druck, der durch eine entsprechende kniende Person entsteht.
Auch diese Werte muss sich niemand merken – höchstwahrscheinlich wird bei Ihrer nächsten Wanderung niemand im Wald stehen und Sie danach abfragen. Allerdings hilft eine gewisse Vorstellung dabei, die eigene Outdoor-Bekleidung an die individuellen Vorhaben anzupassen.
Wasserdicht vs. wasserfest vs. wasserabweisend
Die Grenzen zwischen den Begriffen sind so fließend wie die Regentropfen selbst. Eine eigentlich sichere Regenjacke mit 10000 Wassersäule ist grundsätzlich äußerst wasserdicht. Kommen jedoch starke Druckeinwirkungen etwa durch das Tragen eines schweren Rucksacks hinzu, wird ihre Schutzwirkung herabgesetzt. Sie ist womöglich nur noch wasserabweisend, lässt also nicht sofort, doch aber zusehends Feuchtigkeit eindringen.
Schwachstellen für wasserdichte Kleidung
Allerdings kann die Schutzwirkung von deutlich mehr als der reinen Durchlässigkeit des Stoffes abhängen: Die Schwachstellen liegen oft im Detail. Bei einer Regenjacke ist das häufig ein schlechter Frontreißverschluss. Ebenso lassen minderwertig verarbeitete oder bereits geflickte Nähte deutlich schneller Nässe eindringen. Eine wahre Einladung bilden auch ungünstig geschnittene Kapuzen. Einige Modelle schleusen den Regen nahezu in die Jacke.
Wasserfeste Kleidung – atmungsaktiv trocken bleiben
Besonders wichtig ist auch die Atmungsaktivität. Vielleicht erinnern Sie sich an die DIN-Norm und die Tatsache, dass für deren Bewertung noch andere Kriterien herangezogen werden. Ein entscheidender Punkt dabei ist die auf Amtsdeutsch als Wasserdampfdurchgangswiderstand bezeichnete Atmungsaktivität. Was hölzern klingt, lässt sich jedoch auf der Haut leicht nachvollziehen: Wer nämlich in seiner Regenkleidung schwitzt, dabei aber in einer undurchlässigen Stofflage steckt, wird ebenfalls nass – nur von innen! Da hilft die höchste Wassersäule der Kleidung nicht. Der Stoff muss luftdurchlässig genug bleiben, um den Schweiß schnell von der Haut weg nach außen hin abzutransportieren.